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Eine Flut von Reisedokumenten, Reisepässen und Bordkarten, die eine gemeinsame Reise symbolisieren.

Von zu Hause weggehen und ein Ziel finden

Yvonne Maharjan und Krisha Thapa, beide Auszubildende der Raiffeisenbank Bütthard-Gaukönigshofen eG und Schülerinnen der Klasse Bank 10b, erzählen ihre Geschichte. 


In den letzten Jahren haben immer mehr junge Menschen in Nepal ihre Heimat, ihre Dörfer und sogar ihr Land auf der Suche nach besseren Möglichkeiten verlassen, sei es für eine Ausbildung, einen Arbeitsplatz oder eine stabilere Zukunft. „Was sind deine Pläne nach dem Abitur?" war die häufigste Frage an uns. Allein im Schuljahr 2023/24 gingen mehr als 110.000 Schüler auf der Suche nach einer weitergehenden Ausbildung ins Ausland. Zu sehen, wie die Freunde aus der Kindheit nach und nach das Land verlassen, ließ uns unsere Pläne in Frage stellen.

 

Krisha: Ich war am Ende meines 1. Studienjahres, als mein Vater eines Abends zu mir kam und sagte, er habe von einer Organisation namens NSST gehört, die Studenten dabei hilft, ihre Ausbildung in Deutschland zu beginnen. Ich wurde überzeugt, an einer Orientierungsveranstaltung teilzunehmen und nach der Informationsveranstaltung von NSST stellte sich heraus, dass es ganz anders war als ich dachte, und die Ausbildung schien sich mehr zu lohnen als ein Bachelor-Studium. Danach begann ich, es zu versuchen.

 

Yvonne: Nach meinem bestandenen Abitur war ich unsicher, welchen Weg ich als nächstes einschlagen sollte. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von meiner Mutter, die sich besonders fröhlich anhörte. „Ich habe ein paar Neuigkeiten, die dich interessieren könnten“, sagte sie. Durch ihre Verbindung mit ihrem deutschen Chef wurde ich mit dem NSST-Programm bekannt gemacht - eine Chance, die bald meine Zukunft bestimmen sollte. Ich nahm an einer Informationsveranstaltung teil, bei der ich ein tieferes Verständnis der Organisation erlangte und im Detail erfuhr, was eine Ausbildung überhaupt ist.

 

Die erste und wichtigste Voraussetzung für die Ausbildung war das Erlernen der deutschen Sprache. Wir begannen unsere Sprachausbildung am Goethe-Zentrum in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, wo wir verschiedene Niveaustufen wie A1, A2 und B1 durchliefen. Um sich für die Ausbildung zu qualifizieren, musste man mindestens das B1-Niveau erreichen und auch den Unterricht für das B2-Niveau besuchen. Das Absolvieren all dieser Stufen dauerte etwa eineinhalb Jahre.

 

Neben dem Sprachunterricht an der Goethe-Universität mussten wir an verschiedenen Kursen teilnehmen, die uns helfen sollten, wichtige soziale Kompetenzen zu erwerben und sich auf das Leben in Deutschland vorzubereiten. In diesen Kursen werden wichtige kulturelle, praktische und soziale Aspekte behandelt, um sicherzustellen, dass wir mit dem nötigen Wissen ausgestattet sind, bevor wir ins Ausland gehen.

 

Die Kandidaten, die die B1-Prüfung erfolgreich bestanden hatten, erhielten die Möglichkeit, ihr Deutschtraining weiter fortzusetzen. In dieser Phase wurden wir gezielt auf Vorstellungsgespräche bei deutschen Unternehmen vorbereitet. Nach mehreren Trainingseinheiten waren wir gut gerüstet, um an einem Vorstellungsgespräch mit dem Vorstand einer Bank teilzunehmen. Als ich mich in die Videokonferenz mit NSST und dem Vorstand zuschaltete, fühlte ich eine Mischung aus Nervosität und Aufregung - es war schwer zu glauben, dass dieser Moment tatsächlich gekommen war.

 

Nach dem Gespräch herrschte große Unsicherheit über das Ergebnis. Wir konnten nur noch auf das Beste hoffen. Dann kam die lang erwartete E-Mail: Wir hatten unsere Ausbildungsverträge erhalten. Die Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Raiffeisenbank Bütthard-Gaukönigshofen eG würde im September 2024 beginnen.

Es kam uns fast unwirklich vor. All die Zeit und Mühe, die wir in Sprachkurse und Ausbildung gesteckt hatten, hatte sich endlich ausgezahlt.

 

Der Moment, als wir in Deutschland landeten, kam uns alles surreal vor. Eine Gruppe junger, erschöpfter Reisender - erschöpft nach mehr als 25 Stunden Reise - fand sich in einem Meer von unbekannten Gesichtern und einem fremden Land wieder. Es war keine leichte Aufgabe, mit dem schweren Gepäck vom Flughafen zum Bahnhof zu gelangen. Interessanterweise entpuppte sich ein verspäteter Zug - ein typisches Phänomen in Deutschland - als Segen, denn wäre er pünktlich angekommen, hätten wir ihn verpasst. Wir kamen am Frankfurter Flughafen an und stiegen in den Zug nach Würzburg Hauptbahnhof, wo uns unsere Kollegen herzlich empfingen. Als wir in ihre lächelnden Gesichter sahen, waren wir sehr erleichtert und aufgeregt.

 

Vom ersten Moment an fiel ihre Freundlichkeit auf. Nicht nur sie, sondern alle in der Bank waren unglaublich fürsorglich und hilfsbereit. Es gibt ein beliebtes Sprichwort in unserer Bank: „Wir sind eine kleine Familie",

und so fühlt es sich auch an. Von der Hilfe bei der Wohnungssuche bis hin zur Sicherstellung, dass wir uns nie isoliert oder fehl am Platz fühlten, haben sie sich weit über das normale Maß hinaus engagiert. Manchmal kamen uns leise Zweifel - sind wir eine Last? -, aber sie haben diesen Gedanken mit ihrer Herzlichkeit und Großzügigkeit immer wieder zerstreut. Ob es darum geht, Probleme zu lösen oder einfach nur um nach uns zu sehen, sie sind immer da und sorgen dafür, dass alles richtig läuft.

 

Als wir aus Nepal kamen, merkten wir schnell, wie anders das Schulsystem in Deutschland im Vergleich zu dem ist, was wir gewohnt waren. Schon an unserem ersten Tag in der Berufsschule fühlte sich alles neu und ungewohnt an, von der Art und Weise, wie die Schüler ihre Hände heben, bevor sie sprechen, bis hin zur nahtlosen Integration von Technologie in den Unterricht.

 

Besonders beeindruckt waren wir davon, wie hilfsbereit und zugänglich die Lehrer sind, die immer zur aktiven Teilnahme und zum selbstständigen Lernen ermutigten. Die Eingewöhnung in diese neue Umgebung war jedoch nicht ohne Herausforderungen. Als Neuankömmlinge war es manchmal schwierig, mit dem Tempo und den Erwartungen Schritt zu halten. Glücklicherweise waren wir nie allein. Wann immer wir auf Schwierigkeiten stießen - sei es bei den Schularbeiten oder bei der Anpassung an die neue Art des Lernens - waren unsere Azubi-Kollegen immer bereit, uns zu helfen und uns anzuleiten. Ihre Unterstützung machte einen großen Unterschied in unserem Übergang und half uns, uns sicherer zu fühlen.

 

Es ist nun fast ein Jahr her, dass wir hier angekommen sind, und wenn wir zurückblicken, ist es unglaublich, wie weit wir gekommen sind. Aus den beiden schüchternen und ängstlichen Mädchen, die einst in diese neue Welt traten, sind selbstbewusste, erfüllte Menschen geworden, die stolz auf den Weg sind, den sie gewählt haben. Und das gilt nicht nur für uns. Alle unsere Freunde, die diese Reise gemeinsam gemacht haben, sind stärker geworden, und darauf sind wir alle stolz. Diese Erfahrung hat uns in einer Weise geformt, die wir uns nie hätten vorstellen können.

 

 

Yvonne Maharjan, Krisha Thapa, Constantin Haub

BA 10b